Sunday, 26 June 2016

Dicke Lippe

Heute war ich mit Thea und Noah in der Stadt, um ein paar Sachen für den Urlaub zu kaufen. Ein Badeanzug für Thea, ein Paar Sandalen für Noah, Sonnencreme und für beide eine Cap. Außerdem: ein paar glitzernde Klackerschuhe mit Absatz, einen Wasserball, zwei Wasserpistolen, das offizielle Buch zur Fußball-EM für Noah, für Thea die Bibbi und Tina Zeitschrift, eine CD für die Fahrt und jede Menge Süßkram.

Nach zweieinhalb Stunden hatte ich ca zweihundertvierzig Euro ausgegeben, schleppte drei proppenvolle, schwere Tüten hinter mir her und war völlig durchgeschwitzt. Ich wollte nur noch nach Hause und guckte auf die Uhr. Der nächste Bus fuhr in fünf Minuten. Da ich keine Lust hatte, in der Hitze noch auf den nächsten Bus zu warten, trieb ich die Kinder an und wir hetzten zur Bushaltestelle. Und wie das so ist, wenn man es sehr eilig hat, kam etwas verheerendes dazwischen. Thea stolperte über eine Coladose, fiel auf dem Boden und fing sofort an zu weinen. Erstaunlicherweise waren sowohl die Knie als auch die Hände heil geblieben, aber aus unerklärlichen Gründen hatte sie sich auf die Lippe gebissen und Thea weinte und weinte. Ich war schweißnass und völlig fertig, und die Leute um uns herum starrten mich an. Ich nahm sie in den Arm, schwitzte noch mehr und guckte hilflos um mich rum. 

Glücklicherweise entdeckte ich ein Eiscafe in der Nähe und mir kam die rettende Idee. Ein Eis kühlt, schmeckt und lenkt ab. Und es klappte. Sie hörte schon beim in der Schlange stehen auf zu weinen und diskutierte mit Noah angeregt über die Sorten, auf die sie Lust hatten.

Als wir endlich an der Reihe waren entschied sich Noah für Heidelbeere und Thea für Schlumpfeis. Die Farbe sah tatsächlich aus wie diese blauen Mützen der Schlümpfe, aber einen Geschmack von blauen Mützen konnte ich mir bei Laibe nicht vorstellen. Doch Thea war zufrieden und weinte nicht mehr.

Noah hatte das Eis in weniger als fünf Minuten aufgegessen und Thea genoss ihr Schlumpfeis geschlagene 30 Minuten. In der Zeit lief mir der Schweiß den Rücken runter, Noah klärte mich über die besten Abwehrspieler der EM auf, und ich sah sehnsüchtig drei Bussen hinterher.

Als sie endlich fertig war, war der vierte Bus gerade wieder vorbei gefahren und wir gingen langsam Richtung Bushaltestelle. Plötzlich blieb Thea abrupt stehen.

Thea: Oh Gott!
Ich (überrascht): Was ist los?
Thea: Das Eis hat nicht gewirkt.
Noah (genervt): Spinnst du???
Ich (fassungslos): WIE BITTE???
Thea: Ja, es tut wieder weh.
Ich (völlig fertig): Das kann doch nicht sein, nach einer dreiviertel Stunde!
Thea: Doch, wirklich. Das Schlumpfeis hat nicht gewirkt.
Ich (sprachlos)
Noah (grinsend): Wirklich?
Thea: Ja. Vielleicht sollte ich es mit einer anderen Sorte versuchen..?
Noah (begeistert): Gute Idee, Heidelbeere kann ich dir wirklich empfehlen.
Thea: Ok, dann nehme ich Heidelbeere.
Noah: Und ich Schlumpfeis.

Da musste ich wirklich grinsen, denn zufälligerweise war direkt in unserer Nähe eine andere Eisdiele. Aber den nächsten Bus verpassten wir nicht. 

Ich hatte die Schnauze voll.

Wednesday, 15 June 2016

Die wilde Geschichte der Nervensägen (Teil 2)

Nachdem ich Thea und Noah die Geschichte der Epilepsie erzählt hatte, wollten sie gleich am nächsten Tag noch mehr über die Nervensägen erfahren.

Thea: Erzählst du uns wieder von den Nervensägen?
Ich: Wenn ihr das wollt.
Thea: Klaro!
Ich: Wo war ich denn stehen geblieben?
Noah: Du wolltest doch von diesen Tabletten erzählen...
Ich: Also:

Mit den Tabletten versucht man die Anfälle zu stoppen, damit nicht operiert werden muss. Denn eine OP am Gehirn ist keine schöne Sache. Außerdem haben manche Menschen gar keinen Huckel im Gehirn, aber trotzdem haben sie Anfälle. Vielleicht verstehen sich zwei Nervensägen einfach nicht und streiten sich immer wieder. Wenn das so ist, kann man nicht operieren, denn man weiß ja gar nicht wo diese Nervensägen gerade sind. Dann versucht man es mit Tabletten. Und mit Tabletten klappt es bei vielen Menschen recht gut, denn es gibt ganz viel Medizin, die gegen Epilepsie helfen kann.

Thea: Und was machen die Tabletten?
Noah: Na, die stoppen die Anfälle.
Thea: Aber wie denn?
Ich: Da gibt es ganz viele Methoden wie man das versucht. 

Bei mir war es so, dass man mit den Tabletten versucht hat, die Nervensägen einfach ein bisschen zu verlangsamen. Das hat den Vorteil, dass es nicht so schnell zu einem Unfall kommt. Denn wenn die Nervensägen nicht so schnell rennen, übersehen sie vielleicht den Huckel nicht und stolpern gar nicht, oder selbst wenn, hat sie auch ein bisschen mehr Zeit sich aufzurappeln und weiterzulaufen bevor die nächste kommt.

Denn die nächste ist auch nicht so schnell und sie sieht dann vielleicht, dass die Vorgängerin gestolpert ist. Dann rennt sie nicht auf die drauf, sondern bleibt vielleicht einfach einen Augenblick stehen.

Nervensäge: Hey, Kumpel was machst du da?
Gestolperte Nervensäge: So ein Mist, ich bin über so einen blöden Huckel gestolpert.
Nervensäge: Ach, über den bin ich auch schon gestolpert. Musst einfach einen großen Schritt drüber machen. Dann fällst du nicht hin.
Gestolperte Nervensäge: Ok, danke für den Tipp. Mach ich beim nächsten Mal. Jetzt hilf mir mal beim aufstehen.
Nervensäge: Ok, nimm meine Hand.
Gestolperte Nervensäge: Danke.

Und dann geht es weiter. Es entsteht kein Stau, kein Unfall und für den Chef keine Pause, oder vielleicht auch nur eine klitzekleine. Das merkt der Mensch dann gar nicht. Er hat keinen Anfall.

Noah: Wow, das ist ja super!
Ich: Ja, wenn das klappt ist es echt super. Aber bei mir hat es nicht geklappt. Ich habe keine Tabletten gefunden, die meine Nervensägen so sehr beruhigt haben, dass sie nicht mehr gestolpert sind. Denn es ist nicht so einfach die richtigen Tabletten zu finden. Die Nervensägen können nämlich auch ganz schön zickig sein. So wie meine zwei Kinder...

Thea: Was? Ich bin nicht zickig!
Noah: Ich auch nicht!
Ich: Doch, doch... aber nicht so wie die kleinen Nervensägen.

Das Problem ist, dass man nicht voraussehen kann, welche Tabletten wirklich wirken und ob der Mensch die Tabletten auch gut verträgt. Also ob der Mensch keine Anfälle mehr hat und auch keine Nebenwirkungen.

Thea: Was sind denn Nebenwirkungen?
Ich: Tja, wisst ihr, Tabletten sehen ja ganz lustig aus, wie kleine Bonbons oder so, aber sie sind sehr gefährlich. 

Nebenwirkungen sind, wenn der Körper negativ auf die Tabletten reagiert. Vielleicht schmecken die Tabletten den Nervensägen einfach nicht. Dann spucken sie sie aus und man kann zum Beispiel starke Kopfschmerzen, Hautausschlag oder Übelkeit und Schwindel bekommen. Mit solchen Nebenwirkungen kann man ja nicht ständig leben. 

Nervensäge: Oh, mir ist so übel...
Andere Nervensäge: Echt? Mir auch...  
Nervensäge: Hast du auch dieses furchtbare Zeug getrunken? 
Andere Nervensäge: Ja, das schmeckt wie Cola. Total eklig! 
Nervensäge: Oh je, ich muss gleich kotzen...

Ich: Und dann muss ich kotzen.
Thea: Was? Die mögen keine Cola?!
Ich: Nein, Thea, das war nur ein Witz. Aber man weiß auch einfach nicht, warum manche Menschen sie nicht vertragen können.
Noah: Arme Mama...
Ich: Tja, dann muss man wieder andere Tabletten ausprobieren.

Und meine Nervensägen sind so richtig zickig. Ich habe fünf Tabletten-Sorten ausprobiert. Bei der einen Tablette wurde mir immer ganz übel, einmal saß ich im Bus und hätte mich beinahe übergeben. Bei den nächsten war mir so schwindelig, dass ich ständig doppelt gesehen hatte. Das habe ich dann so zwei Wochen ausgehalten mit der Hoffnung, dass sich meine Nervensägen an diese Tabletten gewöhnen. Aber selbst nach zwei Wochen waren meine Nervensägen immer noch stur und haben die Plörre ausgespuckt. Bei den nächsten hatte ich Salzmangel und musste zusätzlich noch Tabletten schlucken. Eine Zeit lang habe ich 24 Tabletten am Tag genommen. 12 am Morgen und 12 am Abend, da habe ich jedes Mal einen halben Liter Wasser gebraucht, damit ich alle runterschlucken konnte. 

Die Tabletten, die ich heute noch nehme, vertrage ich sehr gut. Meine Nervensägen mögen sie wohl und ich werde sie den Rest meines Lebens nehmen. Aber leider hat das nichts gebracht. Die Nervensägen sind immer noch gestolpert. Und irgendwann habe ich dann aufgegeben neue Tabletten zu probieren. Also musste ich operiert werden.

Noah: Schrecklich!
Thea: Arme Mama...
Ich: Und wie die Geschichte von der OP ist, erzähl ich euch wenn ihr wollt morgen.

Noah: Ok, aber warum musst du denn die Tabletten jetzt immer noch nehmen? Sie haben die Anfälle sowieso nicht gestoppt und du wurdest doch operiert.

Ich: Tja, das ist eine gute Frage. Das erzähle ich euch dann übermorgen.

Gute Nacht!

Monday, 13 June 2016

Sie kommen, die Skulpis

Unser Garten ist in Arbeit und ich merke, wie die Spießigkeit sich immer näher an mich heran schleicht.

Ich muss einen Schlussstrich setzten. Ich will nicht spießig werden. Ich will keinen perfekten Garten, keine Hecke, keinen Zaun, keine kitschigen Figuren. Ich will eine wilde Blumenwiese und Unkraut und eine riesengroße Trauerweide mitten im Garten. Ich will nicht ständig Blumen gießen und Rasen sprengen und Rasen mähen müssen. 

Ich will eine Hängematte, einen Strandkorb und gemütliche Gartenstühle. Ich will nicht ständig grillen, ich will draußen sein und faulenzen, lesen und Kaffee trinken, mit Freunden sitzen und mich besaufen. Und ich will hören wie über mich gelästert wird.

Ich brauche etwas anderes. Ein Zeichen von mir, von der alten Maria. Etwas, das mich loslöst von dieser Welt, in die ich eigentlich niemals wollte, in die ich nicht gehöre. Familie ja, Haus ja, aber kein spießiger Garten und kein langweiliger Alltagstrott. Ich werde sehr bald 40. Ich bin mitten in der Midlife-crisis.

Deshalb habe ich zwei neue Familienmitglieder erworben. Die Skulpis: 2,20 m hohe und 24 cm breite minimalistische Holzskulpturen in reduziertem Design. Ein Kopf, ein schmaler, gerader Oberkörper und dünne lange Beine. Ein Skulpi in signalblau und ein Skulpi in verkehrsrot. Sie bekommen ein prominentes Plätzchen an einer weißen Hauswand.

Wenn sie mir gefallen, werde ich sie SkulpiMa und SkulpiFlo taufen und sehr bald noch zwei kleinere Figuren dazu holen: SkulpiNo und SkulpiThe.

Ich bin sicher, dass sie mir gefallen. Die Farben dürfen sich Noah und Thea selbst aussuchen.


Sunday, 12 June 2016

In meinem wilden Herzen

In meinem wilden Herzen
Ist etwas drin und schläft
Gefühle, Träume, Schmerzen
so schwer wie Marmorstein

In meinen wilden Herzen
Bist du immer noch bei mir
So hell wie tausend Kerzen
so wird es immer sein

(Ca. 2000)

Friday, 10 June 2016

Die verlorene Liebe für Literatur

Ich habe mich gestern arbeitssuchend gemeldet. Ich hatte auf meine Frage nach dem neuen Arbeitsvertrag zwar eine mündliche Zusage von meiner Chefin bekommen, aber bis jetzt noch keinen neuen Vertrag.

Gestern war ich mit einer Freundin bei der Lesung von Axel Hacke. Er hat aus seinen neuen Büchern: "das Kolumnistische Manifest" und "Fußballträume" gelesen. Es war toll! Er liest nicht nur, sondern bringt seine witzigen Anekdoten ganz lustig und theatralisch rüber.

Und es hat mich so sehr daran erinnert, wie es bei mir früher war. Da saß ich bei solchen Lesungen nicht im Publikum und reckte meinen Kopf um überhaupt etwas zu sehen. Nein, solche Lesungen habe ich mitorganisiert. Ich würde auf der anderen Seite stehen, mir die Begrüßungsrede meines Chefs anhören, die ich für ihn geschrieben hätte, und mich um das Mikrofon und ein Glas Wasser für Axel Hacke kümmern. 

Dem Geschäftsführer der Buchhandlung, die die Lesung gestern organisiert hat, müsste ich keine Reden schreiben. Seine Begrüßung war sehr nett, spontan und witzig.Trotzdem hätte ich ihn auch so gerne immer noch als Chef, denn er übermittelt einfach die Liebe für Literatur, die ich auch habe. 

Es war bitter für mich. Mit dem alten Job habe ich viel zu früh aufgehört und bei dem anderen habe ich versagt.

Wenn ich vom Studentenwerk nicht übernommen werde, gehe ich in dieses Scheiß-Krankenhaus und lasse mir den Rest meines Gehirns raus operieren.

Wednesday, 8 June 2016

Leere

Ich lebe, denke, spüre

nicht in Worte fassbar
nicht in Gefühlen lesbar
allgegenwärtig

Zeitlos in Träumen schweben

Vernunft und Gefühl
damals und jetzt
wie Krieg und Frieden

Seele losgelöst und schwerelos

Fallen wollen
und Hand ausstrecken

Aufwachen 
und Sehnsucht spüren

(ca. 1995)

Knackiges Untersuchungsergebnis

Ich habe es überstanden. Die Untersuchung ist gut verlaufen.

Zwar hatte ich hinterher drei Tage teilweise bis zu 38.0 ° Fieber, aber keine Schmerzen und kein Stechen am Bauch und vor allem kein negatives Ergebnis. Der Arzt hat gesagt, er will mich in fünfzehn Jahren zur Standart-Kontrolluntersuchung wiedersehen.

So spät? Eigentlich schade, er sah nämlich - trotz Arztkittel - ziemlich knackig aus.

Thursday, 2 June 2016

Startklar

Jetzt habe ich noch eine viertel Stunde bevor mich meine Nachbarin ins Krankenhaus fährt. Ich bin ein bisschen nervös bei ihr im Auto zu sitzen, denn ab und zu muss ich immer noch aufs Klo.

Über die Reaktion meines Körpers nach dem Genuss diesen Abführmittels will ich lieber nicht erzählen. Aber dass ich es zweimal machen und spätestens heute morgen um sechs Uhr fertig sein musste, ist aber doch erwähnenswert.

Damit ich meine Epilepsie-Tabletten nicht auch gleich abführe, musste ich sie ca eine Stunde bevor ich mit diesem Getränk angefangen habe nehmen. Also hatte ich heute morgen um vier Uhr den Wecker gestellt und die Tabletten genommen. Danach wollte ich eigentlich noch eine Stunde schlafen und erst um fünf Uhr mit dem Trinken anfangen. Aber natürlich konnte ich hinterher nicht mehr einschlafen und bin schon um halb fünf aufgestanden. Dann habe ich mir meinen köstlichen Trank gemischt und jede 10/15 Minuten ein Glas getrunken. Und damit ich das auch geschmacklich ertragen konnte, habe ich hinter jeden Glas auch noch eine Tasse Tee getrunken. Um sechs war ich fertig mit dem Getränk, fertig mit Frühstück für den Rest der Familie machen, Brote für die Schule schmieren, Wäsche zusammenlegen und 3 Kapitel lesen. Die Frequenz der Nutzung unserer Toilette habe ich natürlich mächtig in die Höhe getrieben. Gut, dass mir eine Freundin gestern den Tipp gegeben hatte, feuchtes Klopapier mit Kamille und Nivea Creme zu kaufen. Das habe ich getan und es hat sich gelohnt.

Jetzt will ich es so schnell wie möglich hinter mich bringen. Ich bin jetzt schon müde und freu mich auf die Narkose. 

Wednesday, 1 June 2016

Jetzt ist es so weit...

Mein Gott, ist das Zeug scheußlich!

Morgen wird die Untersuchung gemacht und heute muss ich schon das erste Abführmittel trinken. Ein Liter angemischte Flüssigkeit, mit leicht süßlichem Geschmack. Aber es schmeckt einfach widerlich!

Und schon geht mein Grummeln im Magen los...