Monday, 14 April 2014

Der 34-jährige, der aus dem Fenster sprang...

Letzte Woche war der Vater von dem Selbstmörder (Sami) ins Berufsförderungswerk (in dem meine Maßnahme stattfindet) gekommen, um mit den Beratern zu sprechen. Er ist aus Tunesien angereist und geht jetzt den Weg seines Sohnes, um zu versuchen nachzuvollziehen, wie es zu seinem Selbstmord kam. Diesen Mann zu sehen hat mich so mitgenommen, dass ich ihm gar nicht "mein Beileid" sagen konnte. Ich habe ihm die Hand gegeben und den Mund aufgemacht, aber mir fiel kein einziges Wort ein und ich musste mich konzentrieren nicht zu weinen. 

Der Mann sprach eine halbe Stunde mit den Beratern. Ich stand mit Markus, seiner Frau und Franka im Gang und unterhielt mich mit ihnen.

Ich erfuhr, dass Markus (mit dem ich auch die zweite Maßnahme mache) in letzter Zeit eigentlich einen ganz guten Kontakt mit Sami hatte. Er hatte ihn schon ein paar mal besucht, und war mit ihm Abends was trinken gegangen. Sie hatten sich schon ein bisschen angefreundet. Sogar seine Frau kannte ihn inzwischen ganz gut. Markus Frau hatte den Vater vom Bahnhof abgeholt.

Franka, die andere Teilnehmerin meiner ersten Maßnahme, war auch gekommen und erzählte, dass sie mit ihm telefoniert hatte und dass sie sich auch ein paar mal mit ihm getroffen hatte. Er war wohl an ihr interessiert und sie gar nicht abgeneigt, aber sie waren noch sehr weit von einer Beziehung entfernt.

Als das Gesprächs des Vaters mit den Beratern fertig war, kam er zu uns und wir haben uns noch lange unterhalten. Er hat viel von seinem Sohn erzählt, gute Zeiten, schlechte Zeiten, die sie in letzer Zeit hatten. Der Vater sagte, ihm machte sein Sohn in ihrem letzten Treffen einen sehr guten Eindruck. Als wäre er mit der Perspektive, die er von seiner Maßnahme bekommen hatte, zuversichtlich. Sie haben zusammen einen Ausflug in die Wüsten gemacht und viel über sein Leben gesprochen. Er hatte das Gefühl, dass sein Sohn zufrieden war. Aber der Vater ist in Tunesien geblieben und sein Sohn ist nach Deutschland zurück gekommen. Das ist wohl seelisch zu weit weg gewesen...

Bevor der Vater ging, gab er Markus ein Foto von ihm und seinem Sohn in der Wüste. Ich sah das Bild nur von Weiten. Ich konnte es mir gar nicht ansehen, ich musste so sehr weinen. 

Armer Vater, armer Sami! Was hattest du für ein Leben, dass du dich umgebracht hast?

Florian und ich waren letzte Woche im Kino und hatten uns "der Hundertjährigen, der aus dem Fenster sprang und verschwand" angeschaut. Es ist ein lustiger Film (die Verfilmung von dem Buch, über das ich auch einmal geschrieben hatte). Der Hundertjährige ist ein Mann, der sein Leben, egal wie hart und kompliziert es ist, einfach so locker akzeptiert. Es ist, wie es ist - und dass hundert Jahre lang! Bewundernswert! 

Sami hat es nicht geschafft. Der 34-Jährige sprang aus dem Fenster und starb. 

Ich bin so unendlich traurig. 

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