Der Broccoli-Boykott

Gestern hatte der Kindergarten geschlossen und ich musste Mittagessen kochen. Das ist ein Problem. Ich hasse kochen und Noah hasst essen. Thea ist die einzige, die kein gestörtes Verhältnis zu diesem heiklen Thema hat.

Dennoch legte ich mich mächtig ins Zeug und kochte Noahs Lieblings-Essen: Bratkartoffeln mit Würstchen und Broccoli. Thea schaufelte eifrig in sich hinein. Noah hielt schon nach dem dritten Bissen inne. Angewiedert hielt er seine Gabel, auf der ein perfektes Broccoli-Röschen aufgespießt war, in die Höhe und betrachtete es. Ich ahnte Böses. Dann legte er demonstrativ die Gabel zur Seite.

Ich: Was ist los?
Noah: Ich esse keinen Broccoli mehr.
Ich: Und warum?
Noah: Ich esse keine Bäume.

Nun spießte Thea ein Broccoli-Röschen auf und untersuchte es von allen Seiten. Dann legte sie ebenfalls die Gabel auf den Teller und verschränkte die Arme. Ich konnte es nicht fassen, mit welchem Undank die Mühe gewürdigt wurde, die ich mir mit der Zubereitung dieses köstlichen Mahls gegeben hatte. Zu tiefst gekränkt nahm ich mir eine extra große Portion. Aber den Appetit hatte mir dieser Broccoli-Boykott gründlich verdorben.

Doch als ich die üppig mit Broccoli gefüllte Schüssel in die Küche brachte, erfüllte großer Stolz mein Herz. Ich war tief beeindruckt von der messerscharfen Auffassungsgabe meines überaus schlauen Sohnes.

Schließlich war ihm, mit gerade mal vier Jahren Broccoli-Erfahrung, aufgefallen, was mir in den 35 Jahren meines bisherigen Lebens verborgen geblieben war: dass Broccoli tatsächliche eine gewisse Ähnlichkeit zu kleinen, grünen Bonsai-Bäumchen hat.

Dann gibt es eben morgen grüne Monsternudeln aus pürriertem Broccoli.