Wednesday, 15 February 2012

Die Träume der Sargträger

Ich stehe vor der Kapelle auf dem Friedhof in unserem Dorf. Neben mir fünf Frauen. Wir sind alle schwarz gekleidet, mit schlichten schwarzen Sakkos, schwarzen Stoffwesten und schwarzen Stoffhose. Wir sind Sargträger.

Von drinnen hören wir den Pfarrer sagen: "Gehe hin in Frieden." Das ist unser Stichwort. Wir bilden ein Spalier und setzen uns langsam in Bewegung. Drei auf der rechten Seite und drei auf der Linken. Mit ernster Miene, das Kreuz durchgedrückt, würdevoll die Köpfe gesenkt. Wir betreten die Kapelle. Die Trauergemeinde sitzt mit gesenkten Köpfen auf den Bänken. Ab und an hört man unterdrücktes Weinen. Taschentücher im Gesicht, leises Schnäutzen.

Absolut synchron bewegen wir uns auf den Altar zu. Vor dem Sarg bleiben wir stehen. Langsam beugen wir uns herab und heben den Hochglanz-Mahagonie-Sarg hoch. Schwer liegt er auf meinen Schultern als wir die Kapelle verlassen. Über uns schlägt die Kirchenglocke. Wir schreiten dahin, gefolgt von der kleinen Trauergemeinde. Unter unseren Füßen knirscht der Kies, auf unsere Häupter legt sich der Niesel. Immer weiter und weiter gehen wir den Pfad entlang

Plötzlich ertönt aus dem Himmel ein erbärmliches Gejammer, alle stieren entsetzt nach oben. Eine garstige Zombievisage mit weit auf gerissenem Maul stürzt auf die Trauergesellschaft hernieder und direkt auf mich zu. Mit gefletschten Zähnen kreischt das hässliche Biest in den höchsten Tönen genau in mein Ohr.

Mir schwinden die Sinne und ich lasse panikartig den Sarg fallen. Er knallt mit mächtigen Getöse vor meine Füße und ich stehe wie angewurzelt da. Der Deckel springt auf und rutscht ganz langsam auf den Boden. Ein entsetztes Raunen geht durch die Menge.

Im Sarg liegt Whitney Houston.

Was für ein Albtraum! Ich will lieber kein Sargträger werden.

Saturday, 11 February 2012

Tobias Kurfer: Horrorjobs - wie ich mich probehalber ausbeuten ließ

Als ich neulich an einer Buchhandlung vorbei schlenderte, sprang mir plötzlich mein Putzhandschuh ins Auge. Der gelbe Haushaltshandschuh von Vileda, der Griffige, aus Naturlatex mit Baumwollvelouriserung. Der, mit der einzigartigen Oberflächenstruktur und speziellen ComfortPlus Innenbeschichtung, mit dem ich alle feuchten Putzarbeiten in unserem Haus verrichte.

Haargenauso sah es aus, das Bild auf dem Buch. Und der Titel passte irgendwie auch dazu: "Horrorjobs, wie ich mich probehalber ausbeuten ließ".

Ich fühlte mich gleich angesprochen. Denn einige der Horrorjobs, um die es sich dreht, sind mir durchaus bekannt: Kinderanimateur, Klomann (bzw.-frau) und Tellerwäscher. Der entscheidende Unterschied ist, dass ich mich nicht nur probehalber ausbeuten lasse, sondern rund-um-die-Uhr.

Meine Neigung zum Selbstmitleid ließ mich das Buch kaufen.

Leider hat mich der Inhalt des Buches enttäuscht. Die Geschichten sind kurz, zu wenig tiefgreifend und dafür nicht witzig genug. Einzelne Szenen sind grotesk, andere ergreifend, viele sind lustig. Aber ein "irrwitziger Trip durch eine oft fremde und skurrile Berufswelt" ist es nicht. Dafür sind zu viele persönliche Anekdoten des Autors dabei, die nicht besonders witzig sind und vom eigentlichen Thema ablenken. Es bleibt zu wenig Platz für den Horror dieser Berufe, für den Ekel, das Scheitern, die Scham und die Überwindung, die sie auslösen und kosten. Und für die Betroffenheit, die die Diskrepanz von harter Arbeit, mieser Entlohnung und sozialer Missbilligung auslöst, für Berufe, die für unser alltägliches Leben selbstverständlich und unabdingbar sind.

Allerdings hat mich das Buch durchaus inspiriert: Ich könnte mich auch mal als Dogwalker, Sexshop-Aushilfe, Geisterbahn-Erschrecker, Museumswärter oder Sargträger ausprobieren.

Der Sargträger-Beruf hat mich besonders beeindruckt. Er zeichnet sich durch seine simplen handwerklichen Fertigkeiten aus: 1. Würdevoll vor sich hin schreiten; 2. Trauer und Ernsthaftigkeit ausstrahlen; 3. keinen Buckel machen bei der Senkung des Sarges; und 4. mit gefasster Stimme "Amen" sagen. Dieses Maß an Pietät traue ich mir durchaus zu.

Aber die nehmen ausschließlich Männer.

Monday, 6 February 2012

Die E-Rangers von Playmobil und Theas Schnuller

Noah wünscht sich die E-Rangers Future Base Station von Playmobil. Aber Weihnachten ist vorbei, der Osterhast bringt nur Schokoladeneier und der Geburtstag ist erst im Herbst. Noah musste sich was einfallen lassen.

Schmeichelnd umwarb er Thea.

Noah: Willst du nicht den Schnuller abgeben?
Thea: Nein.
Noah: Aber dann kannst du dir von der Schnullerfee die E-Ranger Station von Playmobil wünschen.
Thea: Cool!
Noah: Dann machst du es?

Thea nickt. Und nuckelt begeistert an ihrem Schnuller.

Noah: Du musst nur den Schnuller über den Zaum werfen und morgen bringt dir die Schnullerfee die E-Rangers Future Base Station.
Thea: Cool.
Noah: Dann mach doch!

Thea nickt. Und nuckelt nachdenklich an ihrem Schnuller.

Noah: Soll ich ihn für dich über den Zaun werfen?

Thea schüttelt den Kopf. Und nuckelt energisch an ihrem Schnuller.

Noah: Dann mach doch endlich!
Thea: Mach ich morgen.

Was du morgen kannst besorgen, das kannst du heute verschieben ohne Sorgen. Und Thea nuckelt zufrieden an ihrem Schnuller.